Zurück von Wolke 7
Frage: Wie holt man jemanden möglichst schnell aus
einem (Fahrrad-)Traum in die Realität zurück?
Antwort: Man lässt ihn einige Tage durch England radeln.
Nach einer wunderbar ruhigen Fähr-Überfahrt (mit Privatkabine) zurück nach
Aberdeen und einer vierstündigen direkten Zugfahrt nach Newcastle schwang ich
mich nochmals in den Sattel, um das auf dem Hinweg ausgelassene Stück
nachzuholen. Kaum losgeradelt kam ich bereits wieder ein erstes Mal vom
(Rad-)Weg ab, sah mich von Autos umzingelt und musste mich zurück auf meine
Route 1 kämpfen. Auch einen Campingplatz zu finden, auf dem ich mein Zelt neben
die luxuriösen (oft static) campervans und mobile homes stellen durfte, war
alles andere als einfach. Immerhin waren mir nochmals schöne Ausblicke auf die
Küste und das Durchradeln einiger sehenswerter (meist touristischer)
Küstenstädtchen vergönnt. Nach einer letzten "drunken ant" - Passage
traf ich in Kingston-upon-Hull ein, wo ich mich erneut auf einer Fähre
einquartierte. Was für eine Wohltat, zurück in Rotterdam und somit im
velofreundlichen Holland zu sein. Wenn auch nur kurz, denn schon bald darauf
beamte mich der Zug in 9 Stunden statt 18 Tagen entlang des Rheins zurück in
die Heimat. Welcome back :-).
I love Shetland
WOW!!!
Dies die Kürzest-Zusammenfassung meiner Woche in Shetland. Habe ich etwas mehr
Wörter zur Verfügung, ergänze ich:
WOW!!! - Einer der schönsten Orte, an denen ich jemals war.
Meine Veloreise "Nordwärts" gleicht bisher einem einzigen
Steigerungslauf. Waren die ersten Wochen noch geprägt von (zu) grosser Hitze,
Enge und fehlender Motivation, kam im Nordosten Englands der grosse Umschwung.
In gleichem Masse wie die Temperaturen tiefer und die Umgebung leerer wurde,
stieg bei mir die Stimmung und die Freude am Unterwegssein kehrte zurück. In
Schottland wurde alles noch besser, endlich stimmte das Ambiente und die
Bedingungen wurden immer radlerfreundlicher. Und dann kam Shetland und stellte
alles Vorangehende in den Schatten.
Velofahren in Shetland ist ganz einfach ein Traum, vorausgesetzt, das Wetter
spielt halbwegs mit. Was es zugegebenermassen oft nicht tut, in meinem Falle
aber absolut perfekt war. Abgesehen von einem sehr langen Gegenwindtag hatte
ich die Wetterelemente stets auf meiner Seite. Überdurchschnittlich viel Sonne,
erstaunlich "warm" und fast kein Regen, besser hätte ich es kaum
treffen können. Die Strassen waren (ausser in der Nähe des Hauptortes Lerwick)
breit und ruhig, überholt wurde ich in den allermeisten Fällen sehr
rücksichtsvoll und nicht wenige Auto- und Lastwagenfahrer hatten ein nettes
Winken parat. Auf Anstiege folgten wunderbare Abfahrten und hinter jedem Hügel
und nach jeder Kurve wartete eine neue Spektakel-Aussicht auf mich und meine
Kamera. Wechselnde Landschaften, wundervolle Farben, weite Ausblicke über Meer,
Küste und voes (Buchten), Hügel und Felder, gespickt mit kleinen Dörfern,
verstreuten Höfen, Schafen und Shetlandponys und und und... Auf kleinen, aber
sehr feinen und spektakulär gelegenen Zeltplätzen traf ich (endlich!)
Gleichgesinnte und die Einheimischen waren ausnahmslos unglaublich freundlich,
hilfsbereit, laid-back und down-to-earth.
Nachdem ich über die Hauptinsel (Mainland) und die kleineren Inseln Yell und
Unst geradelt ("geflogen") war, erreichte ich beim Hermaness National
Nature Reserve den nördlichsten Punkt meiner Reise. Ich drehte um, kämpfte mich
zurück (gegen den Wind) nach Lerwick und quartierte mich im Youth Hostel ein.
Zwei Ausflüge per Bus und zu Fuss führten mich noch in den Süden der Hauptinsel
nach Sumburgh Head und auf die St Ninian's Isle.
Die acht fantastischen, erlebnisreichen, unvergesslichen Tage in Shetland haben
sich tief in meinem Herzen und meiner Seele eingebrannt und ich bin glücklich
und dankbar, dass ich diese tolle Zeit erleben durfte und mich reich gefüllt
und erfüllt auf den Heimweg machen darf...
South East Scotland
Die Erkältung in Rekordzeit auskuriert - meinem
Immunsystem sei Dank - konnte meine Reise in den Norden weitergehen. Ich
verliess die Grossstadt Edinburgh und zog wieder hinaus aufs Land. Meine Route
führte mich mitten durch die Region Fife über (gently) rolling hills nach
Dundee. Auf und ab ging's danach weiter entlang der Ostküste, mal auf ruhigen
Landstrassen, mal auf asphaltierten und mal auf eher holprigen Wegen nahe am
Meer. Abwechslungsreich waren nicht nur Route und Gegend, sondern auch das
Wetter. Typisch schottisch halt, wechselhaft und unberechenbar, aber
grundsätzlich recht freundlich und mit für mich perfekten Windverhältnissen.
Erneut war ich sehr zufrieden mit der North Sea Cycle Route 1 und deren
Beschilderung. Zwar nicht auf schnellen, dafür auf sicheren Pfaden führte sie
mich voran und liess mich viele kleine Schönheiten am Wegesrand entdecken.
Jetzt bin ich in Aberdeen und warte auf die Fähre, die mich auf die Shetland
Inseln bringt. Da werde ich dann ein letztes Mal nordwärts radeln ...
England - Part 2
Und wieder schaue ich, eine Tasse heissen Tee neben
mir, dem Regen zu. Ansonsten hat sich einiges geändert seit meinem letzten
Eintrag. Statt in England bin ich mittlerweile in Schottland und habe somit das
erste Ziel meiner "Nordwärts"-Reise erreicht. Die Zahl der
geknippsten Fotos ist sprunghaft angestiegen und ich bin wieder um einige
Erfahrungen reicher geworden.
Es hat sich definitiv gelohnt, den Nordosten Englands zu durchradeln. Die
Region Northumberland hat mir sehr gut gefallen. Immer mal wieder führte der
Veloweg direkt der Küste (Heritage Coast) entlang und ermöglichte mir
wunderbare Ausblicke. Zwar war die Route insgesamt hügliger als weiter südlich,
dafür aber viel gradliniger und besser ausgeschildert. Mittlerweile kann ich
der Organisation Sustrans wirklich ein Kränzchen winden für die Arbeit, die sie
mit dem National Cycle Network geleistet hat. Ohne ihre Routen wäre es kaum
möglich, in Grossbritannien über längere Distanz Velo zu fahren.
Ab der nördlichsten englischen Stadt Berwick-upon-Tweed folgte ich dem Fluss
Tweed ins Landesinnere und überquerte schon bald die Grenze zu Schottland. Zwei
Tage lang kämpfte ich mit heftigstem Gegenwind, der mich ziemlich zermürbte.
Die Entschädigung folgte in Form einer wunderbaren Fahrt durch schönste
schottische Landschaft (mit Rückenwind) durch die Moorfoot Hills nach
Edinburgh. Kurz vor dem Ziel zeigte mein Velocomputer 2000 Kilometer an.
Leider habe ich mir eine Erkältung eingefangen, die ich nun am Auskurieren bin.
Schon bald aber möchte ich weiter nordwärts radeln...
England - Part 1
Gemütlich sitze ich im armchair in meinem Zimmer im
"The Old Ship", schlürfe heissen Tee, blicke hinaus aufs weite Meer
und schaue Wellen und Regen zu - England at its best. Endlich! Bis jetzt war
meine Reise durch dieses Land vor allem hard work und noch nicht wirklich
lovely:
Grösser könnte der Kontrast kaum sein - kommt man als Velofahrer/in von Holland
nach England, gilt es zuerst einmal alle Annehmlichkeiten, die man soeben noch
hatte, zu vergessen. Statt auf eigenen Fahrbahnen dahinzugleiten und meist
Vortritt zu geniessen, findet man sich als Verkehrshindernis wieder,
bestenfalls toleriert, aber sicher nicht privilegiert. Zu Englands Verteidigung
muss ich sagen, dass es durchaus Velowege und -routen gibt (recht viele sogar)
und diese auch markiert sind. Wichtig ist einfach, dass man gaaanz viel Zeit,
Geduld und Aufmerksamkeit mitbringt, wenn man ihnen folgen will und es um jeden
Preis vermeidet, die kleinen blauen Schildchen aus den Augen zu verlieren. Denn
wehe dir, du stehst plötzlich vor einer A road (und die sind überall)...
Mein Plan war, ab Harwich der "North Sea Cycle Route number 1 (EuroVelo
12)" zu folgen, die der Ostküste entlang bis nach Schottland führt. Bei
nach wie vor schönstem und heissem Wetter radelte ich auf der Route durch die
ländlichen Regionen Suffolk und Norfolk und kam dabei in etwa so voran wie eine
betrunkene Ameise. Auch die Nachtplatzsuche gestaltete sich oft schwieriger als
erwünscht. Ich brauchte dringend neue Motivation.
Diese versprach ich mir weiter nördlich. Statt in Süd- und Mittelengland
herumzugurken, wollte ich lieber Fahrt auf mein Zielland Schottland aufnehmen.
So bestieg ich in Peterborough den Zug und liess mich nach Newcastle beamen (das
ausgelassene Stück hole ich vielleicht auf dem Nachhauseweg nach).
Und da bin ich nun, in Newbiggin-by-the-Sea, frisch gestartet zum zweiten Teil
meiner Reise durch England. Und weiter geht es nordwärts...
12.08.2018
Suhr - Rotterdam
Meine anfänglichen Pläne, zuerst westwärts durch Frankreich zu radeln, warf ich
bereits am zweiten Tag über den Haufen. Lieber wollte ich gleich sofort
nordwärts ziehen. So entschied ich mich in Mulhouse, dem Rhein bzw. dem
Rheinradweg in den Norden zu folgen.
So richtig zu begeistern vermochte mich die Route allerdings nicht, zu voll, zu
viel Verkehr, zu wenig Natur, viel zu wenig Schatten. Zum Glück traf ich kurz
vor Köln auf ein holländisches Paar, welches mir eine Alternativroute empfahl.
Statt dem Rhein folgte ich nun der Rur. Nach der holländischen Grenze übernahm
die Maas und danach die Waal. Und tatsächlich, die Landschaft wurde grüner und
die Umgebung ländlicher. Heiss war es zwar immer noch, aber wenigstens fand ich
nun mehr Schatten. Natürlich kam in Holland der Wind ins Spiel, zuerst als unterstützender
Rücken-, danach als bremsender Gegenwind.
Morgen setze ich mit der Fähre nach Harwich über und radle in England weiter
nordwärts. Vorausgesetzt, ich gewöhne mich an den Linksverkehr...
On the road again
Seit gestern bin ich wieder unterwegs. Gestartet in Suhr radle ich nordwärts....